San Bernardino - ein herrlicher Alpenübergang

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Ausgangspunkt dieser zweistündigen Fahrt bildet die Alpenstadt Chur. Mindestens alle zwei Stunden nimmt ein komfortables PostAuto die 115 Kilometer nach Bellinzona in Angriff. Auf der Autobahn geht es rasant aus Chur hinaus nach Thusis. Anschliessend beginnt die eigentliche Fahrt über den San Bernardino. Via Andeer, Splügen und Nufenen gelangt der Linienbus in den S.Bernardino-Tunnel. Zurück am Tageslicht führt die Fahrt auf der A13 das Misox hinunter bis die Reise schliesslich am Bahnhof von Bellinzona endet. 

Im grossen PostAuto Bahnhof von Chur belegen die Eilkurse nach Bellinzona den vordersten Platz.
Im grossen PostAuto Bahnhof von Chur belegen die Eilkurse nach Bellinzona den vordersten Platz.

90.171, Chur-Thusis-San Bernardino-Bellinzona

Diese gut zweistündige Fahrt nimmt ihren Anfang in der grossen und preisgekrönten PostAuto-Halle von Chur. Über den Gleisen der SBB und RhB beginnen unzählige PostAuto-Linien, welche in alle Himmelsrichtungen ausschwärmen. Eine davon trägt die Nummer 171. Die Expressbuslinie verbindet seit einigen Jahren stündlich die beiden Hauptstätte miteinander. Sobald die Anschlüsse vom Bahnverkehr abgenommen wurden, kann die über 115 Kilometer lange Strecke ins Tessin unter die Räder genommen werden. 

Auf der Autobahn geht es in rasantem Tempo nach Thusis
Auf der Autobahn geht es in rasantem Tempo nach Thusis

Das Fahrzeug der Post muss sich zuerst durch den dichten Stadtverkehr von Chur kämpfen. Bei der Autobahneinfahrt Chur Süd biegt der Linienbus auf die A13 ein. Auf dieser wichtigen Nord-Süd Verbindung braust das PostAuto am Rhein entlang nach Reichenau. Anschliessend verschwindet die Autobahn im Isla Bellatunnel. An der San Bernardino Linie sind neben der Regie Chur und Thusis auch die PostAuto-Halter Gaudenz, Andeer und Trasporti pubblici Moesano SA, Mesocco beteiligt. Zum Einsatz kommen nebst komfortablen Hochflurfahrzeugen auch Doppelstock-PostAutos der neusten Generation. 

Die Kurse der Linie 541 beginnen erst in Thusis
Die Kurse der Linie 541 beginnen erst in Thusis

90.171 / 90.541, Thusis-Splügen-S.Bernardino-Mesocco

Nach gut 15 Minuten wird die Autobahn bereits ein erstes Mal verlassen und das Fahrzeug der Post schlägt einen Abstecher zum Bahnhof von Thusis ein. Im überdachten PostAuto-Bahnhof von Thusis starten neben acht weiteren Linien auch die Regio-Kurse (90.541) nach Mesocco. Im Gegensatz zu den Expressbussen (90.171), welche bereits in Chur starten und bis zum Tessiner Kantonshauptort nur eine Handvoll Stationen bedienen, halten die langsameren Regios auch in den kleineren Ortschaften des San Bernardino Passes. 

Im Winter kann es gut sein, dass auch die Autobahn mal schneebedeckt ist
Im Winter kann es gut sein, dass auch die Autobahn mal schneebedeckt ist

Nachdem die Bahnanschlüsse vom Albula (940) her abgenommen wurden, können die noch verbleibenden 95 Kilometer nach Bellinzona in Angriff genommen werden. Zurück auf der A13 führt die Schnellstrasse durch die wilde und enge Viamalaschlucht. Der rund acht kilometerlange Abschnitt entlang des Hinterrheins zwischen Thusis und Zillis bekundete bereits den alten Römern auf dem Weg nach Süden grosse Schwierigkeiten. Deshalb auch der Namen Viamala, was soviel wie schlechter Weg bedeutet. Die 1967 eröffnete Autobahn umfährt den engsten Abschnitt der tief eingegrabenen Schlucht mit einem 740 Meter langen Tunnel. 

Ein Iveco LE unterwegs als Verstärkungskurs zwischen Zillis und Andeer
Ein Iveco LE unterwegs als Verstärkungskurs zwischen Zillis und Andeer

Trotzdem ergibt sich zwischen den Tunnelabschnitten ein kurzer, jedoch imposanter Ausblick in die Viamala. Während dem die schnellen Expressbusse ohne Halt bis Splügen auf der Autobahn bleiben, verlassen die "langsameren" Expresskurse sowie die Regios in Zillis die A13. Die 400 Seelen Gemeinde ist vor allem bei Kulturinteressierten weitherum bekannt. Nebst dem beträchtlichen Alter ist die Kirche St. Martin für eine der ältesten, bemalten Kirchendecke weltberühmt. Ohne viel Zeit zu verlieren braust das Fahrzeug der Post auf der Hauptstrasse weiter zum Nachbarsdorf Andeer. 

Bei der Haltestelle Heilbad besteht Anschluss nach Juf
Bei der Haltestelle Heilbad besteht Anschluss nach Juf

Während sich die Regiokurse durch den engen und mustergültig erhaltenen Dorfkern zwingen, bedienen die Eilkuse die Ortschaft nur an der Umfahrungstrasse mit der Haltestelle Tagavugl. Andeer ist neben einem Badekurort auch ein kleiner PostAuto-Knotenpunkt. So beginnen hier die beiden von PU Mark betriebenen Linien nach Wergenstein (90.551) und nach Avers - Juf (90.552), wo sich die höchstgelegene Alpensiedlung der Schweiz befindet. Nach dem kurzen Halt wird der Ferienort hinter einem gelassen und das PostAuto fährt kurze Zeit später wieder auf die A13 auf. 

Ein Eilkurs bei der Ausfahrt Sufers
Ein Eilkurs bei der Ausfahrt Sufers

Diese fängt nun mächtig an zu steigen, denn bis nach Sufers gilt es mit der Roflaschlucht und der Sufner Schmelzi gleich zwei Talstufen zu überwinden. So kämpft sich das PostAuto zusammen mit dem gesamten Transitverkehr die 450 Höhenmeter zum 90 Hektar grossen Sufnersee hinauf. Der Hinterrhein wurde hier in den 1960er-Jahren mithilfe einer Staumauer künstlich zurückgestaut. Das einzige Dorf am See ist die gleichnamige Ortschaft. Jedoch verzichtet der Linienbus hier das Zentrum anzufahren und bedient das Dorf lediglich mit einer Haltestelle bei der Autobahnausfahrt. 

Die kleine Temsa Bus Flotte der PAG wurde schon nach wenigen Jahren ausrangiert.
Die kleine Temsa Bus Flotte der PAG wurde schon nach wenigen Jahren ausrangiert.

Ohne viel Zeit zu verlieren gelangt das Fahrzeug der Post über die Einfahrt wieder zurück auf die A13. Auf dieser braust der Linienbus weiter zur nächsten Ortschaft, Splügen. Im altehrwürdigen Dorf wurden zu Säumerzeiten die Pferde gewechselt. Auch später konnte die Bevölkerung gut vom Waren- und Personentransit leben. Mit der Eröffnung des Gotthardeisenbahn-Tunnels 1882 brach dieser jedoch schlagartig ein, sodass etliche Einwohner nach Amerika auswanderten. Erst mit der Eröffnung der Autobahn 1967 bescherte der Mehrverkehr der Ortschaft wieder einen Aufschwung. 

Auf der Hauptstrasse geht es nach Medels
Auf der Hauptstrasse geht es nach Medels

Heute ist Splügen ein beliebter Sommer- und Winterferienort mit Skigebiet und mehreren Hotels. Bei der Post ist eine kurze Reservezeit einberechnet. Im Sommer verkehren ab hier drei Kurse über den äusserst schmalen und kurvenreichen Splügenpass nach Chiavenna. (90.561) Die Reise führt nun für einmal über die alte Kantonsstrasse, die praktisch parallel zur Autobahn verläuft, weiter nach Medels. Bei dieser kleinen Ortschaft, die lediglich aus einem Restaurant und ein paar landwirtschaftlichen Betrieben besteht, biegt das PostAuto wieder auf die Autobahn ein.

Ein inzwischen ausrangierter Neoplan Doppelstock der Regie Chur erreicht Nufenen
Ein inzwischen ausrangierter Neoplan Doppelstock der Regie Chur erreicht Nufenen

Zurück auf der A13 fährt der Linienbus weiter nach Nufenen Dorf. Die Reise führt dabei dem Hinterrhein entlang, welcher auf dem San Bernardino Pass entspringt. Das letzte deutschsprachige Dorf auf der Reise trägt auch den gleichen Namen wie das Gewässer. Bei der Haltestelle Hinterrhein Tunnelportal bestehen im Sommer einzelne Anschlüsse um mit dem PostAuto (90.541) über die alte Passstrasse via das Ospizio nach S. Bernardino zu reisen. Unmittelbar danach verschwinden sowohl die Eilkurse wie auch die Regios im S.Bernardino Tunnel. Dieser wurde im Jahre 1967 eröffnet

Der Setra 412 UL von PU Trasporti pubblici Moesano unterwegs im Dorfkern von S.Bernardino
Der Setra 412 UL von PU Trasporti pubblici Moesano unterwegs im Dorfkern von S.Bernardino

und stellt die zuvor langersehnte wintersichere Verbindung zwischen dem bündnerischen Misox und dem restlichen Kanton Graubünden sicher. Wie auch der Gotthard-Strassentunnel ist der Tunnel komplett einspurig und es herrscht Gegenverkehr. Nach knapp zehn Minuten ist der 6,6 Kilometerlange Tunnel durchfahren. Kaum am Tageslicht wird die Autobahn einmal mehr verlassen und das PostAuto bedient die Haltestelle Villaggio, welche sich am Dorfeingang befindet. Nachdem San Bernardino mit der Eröffnung des Strassentunnels einen grossen Aufschwung erlebte, liegt das Dorf seit der Stilllegung des Skigebiets im Jahre 2012 in einem Dornröschenschlaf. 

Der komfortable Setra S 415 H unterwegs als Expressbus auf der Südrampe
Der komfortable Setra S 415 H unterwegs als Expressbus auf der Südrampe

Der Tessiner Investor Stefano Artioli will dies nun ändern und investiert in den nächsten Jahren rund 300 Millionen Franken in das Bergdorf. Als erster Schritt konnte im Dezember 23 das Skigebiet wiedereröffnet werden. Zurück auf der Autobahn braust das Fahrzeug der Post weiter in Richtung Süden. Zwar wäre die alte Passstrasse auch mit dem Linienbus befahrbar, jedoch ist diese nicht wintersicher und der Zeitverlust zu gross. So führt die Fahrt auf der A13 vorbei am Lago d`Isola weiter talwärts. Der folgende Abschnitt ist geprägt von Lawinenschutzgalerien und weiteren Kehren. Auf halber Höhe befindet sich das Dörfchen Pian San Giacomo.

Ein Regio Kurs kämpft sich durch den Dorfkern von Mesocco
Ein Regio Kurs kämpft sich durch den Dorfkern von Mesocco

Die einstige Alp- und heutige Ferienhaussiedlung geniesst einen Sonderstatus. Wer hier einsteigen will, muss rechtzeitig bei der Haltestelle den Knopf drücken. Ein Signal an der A13 zeigt dem Chauffeur dann diesen Haltewunsch an - ansonsten fährt das PostAuto an der Ausfahrt vorbei weiter nach Mesocco. Mithilfe der Nanin- und Cascellabrücke schlängelt sich die Autostrasse weiter talwärts. Kurz darauf ist der Hauptort des Misox in Sicht, Mesocco. Hier verlassen sowohl die Regios als auch die Eilkurse die A13 und kämpfen sich durch den engen, jedoch sauber restaurierten Dorfkern. 

Vor dem alten Bahnhof von Mesocco wartet der IVECO auf die Abfahrt
Vor dem alten Bahnhof von Mesocco wartet der IVECO auf die Abfahrt

90.171 / 62.214, Mesocco-Castione-Bellinzona

Seit 2021 enden die Regiokurse hier unterhalb der Kirche beim alten Bahnhof. Wer weiter fahren will, muss auf die Linie 214 nach Castione-(Bellinzona) umsteigen. Auf dem weitläufigen Areal mit Depot und Stationsgebäude endeten bis 1971 die Züge der Bellinzona - Mesocco Bahn. Ursprünglich wäre eine Verlängerung der Bahn nach Thusis geplant gewesen - realisiert wurde dieses Vorhaben jedoch nie. Wegen geringen Frequenzen und grossen finanziellen Schwierigkeiten musste die Linie nach 64 Jahren eingestellt werden. 

Ein Setra 415 H unterwegs als Eilkurs auf der A13
Ein Setra 415 H unterwegs als Eilkurs auf der A13

Seither ist das PostAuto für die Erschliessung des Misox zuständig. Für die Eilkurse geht es nach dem Abstecher zum alten Bahnhof zurück auf die Autobahn und brausen in 30 Minuten nach Bellinzona. Einzig in Lostallo verlassen einige schnell die Autobahn um den Anschluss an die Linie 214 sicherzustellen. Die Regionalkurse wählen derweil den Weg über die Hauptstrasse und bedienen dabei sämtliche Ortschaften des bündnerischen Seitentals. So wird nun der Abstieg ins rund 350 Meter tiefergelegene Cabbiolo in Angriff genommen.

Ein Volvo 8700 schleicht durch die zum Teil engen Dorfkerne
Ein Volvo 8700 schleicht durch die zum Teil engen Dorfkerne

Auf halber Strecke wird die Hauptstrasse kurz verlassen und das PostAuto erschliesst den alten Bahnhof der Ortschaft Soazza mit einer kurzen Stichfahrt. Anschliessend führt die Reise weiter, das von steilen Felswänden geprägte Val Mesolcina hinunter. Über das kleine Dorf Lostallo erreicht der Linienbus kurze Zeit später Cama. Bis 2013 verkehrten zwischen Castione-Arbedo und Cama auf dem Trasse der ehemaligen Bellinzona-Mesocco Bahn, die zur Rhätischen Bahn gehörte,  noch Museumszüge. 

Kurze Pause in Grono, wo Anschluss an die drei Calanca-Linien besteht
Kurze Pause in Grono, wo Anschluss an die drei Calanca-Linien besteht

Leider haben die Gemeinden das touristische Potenzial solcher Züge nicht erkannt und so tuckerte (leider) im Oktober 2013 der aller letzte Zug durchs Misox. Auch wenn das Bahntrasse heute praktisch komplett zurück gebaut ist, sind hie und da immer noch Spuren der Bahn gut zu erkennen. Zurück in die Gegenwart, das PostAuto erreicht wenig später Grono. Die Ortschaft am Tor zum Calancatal bildet ein wichtiger Umsteigepunkt. So führen drei Linien von hier nach Rossa (62.215), Sta. Maria im Calanca (62.216) und Verdabbio (62.217).

Der Nachmittagskurs nach Mesocco kurz nach Roveredo - links sind noch die Baumaschinen für den neuen A13 Abschnitt zu erkennen
Der Nachmittagskurs nach Mesocco kurz nach Roveredo - links sind noch die Baumaschinen für den neuen A13 Abschnitt zu erkennen

Des weiteren beginnen hier die an Werktagen verkehrenden halbstündlichen Verdichtungskurse nach Bellinzona. Der Linienbus tuckert nun weiter durch den ebenen Talgrund des Misox. Die Ortschaft Roveredo, welche sich auf der anderen Seite des Moesa Flusses befindet, wird nur mit einem Halt an der Hauptstrasse bedient. Bis 2016 wurde das Dorf von der Autobahn in zwei Hälften geteilt. Nun umfährt die A13 mit einer 5,6 Kilometer langen Neubaustrecke die Ortschaft. Der nächste Halt befindet sich anschliessend in San Vittore. Dies ist die letzte Gemeinde, welche noch zum Kanton Graubünden gehört.

Die Regionalkurse enden auf dem Bahnhofsplatz von Castione-Arbedo
Die Regionalkurse enden auf dem Bahnhofsplatz von Castione-Arbedo

Auf dem Weg nach Lumino passiert das PostAuto dann die Kantonsgrenze und das Misox wird hinter einem gelassen. Ändern tut sich damit wenig, denn der Süden prägte das bündnerische Misox mit Sprache und Baustil stark. Da man sich nun bereits in der Agglomeration von Bellinzona befindet, wird der Verkehr immer dichter. Während die Regio-Kurse mit der Liniennummer 214 am wiedereröffneten Bahnhof von Castione-Arbedo enden, verkehren die Verdichtungskurse weiter bis in den Kantonshauptort. 

Es ist schon dunkel als der brandneue Setra S 415 H den neuen Busbahnhof von Bellinzona erreicht
Es ist schon dunkel als der brandneue Setra S 415 H den neuen Busbahnhof von Bellinzona erreicht

Zurück auf der Kantonsstrasse schleicht das PostAuto je nach Tageszeit durch den dichten Strassenverkehr Richtung Bellinzona. Auf diesem letzten Abschnitt sind die ebenfalls von der PAG betriebenen Ortsbusse (Trasporto Pubblico del Bellinzonese - kurz TPB) für die Erschliessung der Quartiere zuständig. So muss lediglich noch für aussteigende Gäste gehalten werden. Schliesslich erreichen die Eilkurse nach einer Fahrzeit von rund 2, die Regios nach knapp 2 ½ Stunden den neuen Busbahnhof von Bellinzona. Hier nimmt diese herrliche Fahrt über den San Bernardino ihr Ende.


Last Update: 19.11.2024
Zuletzt gereist: 03.01.2023